1988 WDR Alles unter Kontrolle

1984 Ausschnitt Tonspur „Alles unter Kontrolle“

In einem Verteidigungsfall bedeutet Flucht Vergrößerung der Gefahr, denn fraglos ist die Gefährdung durch Waffenwirkung und mangelnde Versorgung auf der Flucht am größten. Die noch im Zweiten Weltkrieg deutlich sichtbare Grenze zwischen Front und Hinterland wäre in einem Verteidigungsfall weitgehend aufgehoben, das gesamte Land wäre in die Kriegsführung einbezogen. Um die Gefährdung zu mindern, hat die NATO den Grundsatz des Zuhausebleibens aufgestellt. Diese sogenannte Stay-Put – „bleib wo du bist“ – Politik ist eine der Voraussetzungen für das Überleben der Menschen, denn zu Hause finden sie noch am ehesten eine schützende Umwelt. Sie ist weiter eine der Voraussetzungen für das Funktionieren des Versorgungssystems und die notwendigen Truppenbewegungen. Eine Alternative zur Stay-Put-Politik wäre zum Teil gegeben, wenn wesentliche Teile der Bevölkerung aus den bedrohten Räumen in weniger gefährdete Gebiete verlegt werden könnten, so dass die Bevölkerung diese Gebiete mit Sicherheit vor Angriffsbeginn erreichen würde. In der geographischen Lage der Bundesrepublik Deutschland sind diese Voraussetzungen nur in geringem Umfang vorhanden. Daher ist die Verwirklichung der Stay-Put-Politik ein wichtiges Ziel. Die Rechtsgrundlage für die Stay-Put-Politik bietet § 12 Absatz 1 des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes. Danach kann zum Schutze vor Gefahren und Schäden, die der Zivilbevölkerung durch Angriffswaffen drohen, oder für Zwecke der Verteidigung angeordnet werden, dass der gewöhnliche Aufenthaltsort nur mit Erlaubnis verlassen werden darf. Der Grundsatz des Zuhausebleibens gilt nicht für besonders bedrohte Gebiete. Bei der wehrgeographischen Lage der Bundesrepublik Deutschland ist damit zu rechnen, dass einzelne Gebiete besonders gefährdet sind. Hier muss die Bevölkerung schon vor einem Verteidigungsfall in weniger bedrohte Gebiete verlegt werden. Die Rechtsgrundlage für eine mögliche Verlegung enthält §12 Absatz 2 des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes. Eine Verlegung darf nur bei Vorliegen besonders schwerwiegender Voraussetzungen angeordnet werden.

Nach Absatz 4 der genannten Vorschrift sind Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände verpflichtet, Vorbereitungen für die Unterbringung der Bevölkerung besonders gefährdeter Gebiete zu treffen und diese Personen aufzunehmen und zu betreuen. Für den Erlass der Anordnung über Verbleiben oder Verlegen sowie für die Durchführung der Verlegung sind nach entsprechender Weisung der Bundesregierung die Kreise und kreisfreien Städte zuständig. Diese entscheiden auch über Ausnahmegenehmigungen. Es ist Aufgabe der Polizei, die Aufenthaltsregelung zu überwachen. Der Betreuungsdienst des Katastrophenschutzes ist verantwortlich für die Unterbringung und Versorgung der verlegten Bevölkerung. Die Aufenthaltsregelung mit dem Grundsatz des Zuhausebleibens wird wesentlich davon abhängen, dass sich die Menschen zu Hause einigermaßen sicher fühlen, d.h. im Selbstschutz ausgebildet sind, Vorsorgemaßnahmen ergriffen und Platz in einem Schutzraum haben.

Broschüre „Zivilschutz heute, für den Bürger – mit dem Bürger“
herausgegeben vom Bundesminister des Inneren
3. Auflage, Mai 1980, Nachdruch 1982
(S. 50-51)